Katzen und Weihnachtsbäume – ein funkelndes Duell

lle Jahre wieder ereignet sich zu Weihnachten in Katzen-Haushalten ein nervenaufreibendes Spektakel: Kaum ist der Weihnachtsbaum in der Wohnung aufgestellt, verwandelt sich auch der wohlerzogenste und stoischste Stubentiger in ein Hybridwesen aus Zirkusartist, Abenteurer und Krieger. Denn der liebevoll geschmückte Baum, Symbol festlicher Harmonie und Andacht wird in den Augen fast jeder Katze zum unwiderstehlich glänzenden Objekt der Begierde – und das Wohnzimmer damit oft zum Schlachtfeld zwischen Mensch und Miez.
„Der liebevoll geschmückte Baum wird in den Augen der Katze zum unwiderstehlich glänzenden Objekt der Begierde.“
Das Abenteuer lockt
Ob prachtvoll oder minimalistisch, kitschig oder geschmackvoll – für Katzen ist ein Weihnachtsbaum mehr als ein ästhetischer Blickfang, geschweige denn ein respektables Stück alter Tradition – er ist ein verheißungsvolles, betörend duftendes Abenteuerland. Glitzernde Kugeln, die im Schein der Kerzen schimmern, laden regelrecht zum Spielen ein. Silberne Lametta-Fäden, die an Tannenzweigen baumeln und beim Berühren leise knistern, wecken unweigerlich den Jagdtrieb unserer samtpfötigen Lieblinge: In schier endloser Ausdauer wird mit Krallen und Zähnen solange an ihnen gezogen, bis die prachtvolle Nordmanntanne wieder „nackt“ ist oder – im schlimmsten Fall – „gefällt“.
Doch die Krönung jedes Christbaums ist natürlich seine Spitze – ob ein Stern, ein Engel oder ein anderer kunstvoller Schmuck sie ziert – für die Katze in Weihnachtsstimmung gleicht das Erreichen des Christbaumwipfels einem Sieg, den sie – so scheint es – allen irdischen Gesetzen der Schwerkraft zum Trotz zu erringen trachtet. Ist der Ehrgeiz der Miezen erst geweckt, gibt es kein Zurück und sie geben nicht auf, ehe das anvisierte Zielobjekt nach allen Regeln ihrer Jagdkünste demontiert ist. Stolz präsentieren sie ihre errungenen Trophäen und können so gar nicht verstehen, warum die Zweibeiner darauf nicht mit ausgelassenem Lob reagieren.
Ein Gipfelsturm in Etappen
Die Bezwingung jedes Christbaums vollzieht sich in Etappen: Die erste Begegnung mit dem duftenden Nadelgehölz wirkt meist noch recht unschuldig. Zunächst nähert sich die Katze vorsichtig dem neuen Gegenstand, um ihn schnüffelnd und umschleichend zu erkunden. Der noch jungfräuliche Baum ist schließlich ein Neuling in der Wohnung und damit ein Fremdkörper im kätzischen Revier. Anfängliche Skepsis und misstrauische Blicke weichen jedoch in Windeseile reger Neugier und spätestens wenn die Lichterkette blinkt und der Schmuck hängt, passiert etwas Magisches: Die soeben noch in nobler Zurückhaltung den Baum erkundende Katze erwacht zum Dschungeltiger im Jagdmodus.
Strategien der Katzenbesitzer
Der leidgeplagte Katzenbesitzer, der das alljährliche Spiel und seine potentiell fatalen Folgen zu Genüge kennt, entwickelt mit zunehmender Erfahrung eine bemerkenswerte Kreativität in Sachen Problemlösung. Da gibt es jenen Katzenhalter, der den Baum in einem Käfig einschließt, als wäre er ein kostbares Ausstellungsstück. Ein anderer befestigt ihn an der Decke – ein Trick, der jedoch den Kampf der Katze mit dem Baum meist nur noch stärker reizt und ins Akrobatische verlagert. Eine weitere Strategie ist es, den Baum nur noch in den oberen zwei Dritteln zu schmücken, was allerdings aussieht, als habe man beim Dekorieren eine Leiter benutzt und vergessen, dass man diese für den unteren Teil des Weihnachtsbaums nicht benötigt.
Ein besonderer Coup mancher entnervter Katzenbesitzer ist der Verzicht auf die bei Katzen besonders beliebten Christbaumkugeln, wobei stattdessen strapazierfähiger Plastik- oder Papierschmuck verwendet wird. Doch nichts ist jemals vor dem Jagdtrieb einer Katze sicher, zumal, wenn sie den Weihnachtsbaum zu ihrem persönlichen Spielzeug erklärt hat.
Humor hilft
Und doch liegt in all dem Drama für den Katzenbesitzer auch so etwas wie eine heimlich-verschmitzte Freude: Gibt es etwas Entzückenderes, als den selbstzufriedenen Blick einer Katze, die ihrem Menschen eine „erlegte“ Christbaumkugel im Mäulchen entgegenträgt? Der kindliche Triumph der Katze hat etwas Ansteckendes, ihre unerschöpfliche Begeisterung für den Christbaum etwas Rührendes und Herzerfrischendes. Für Katzenfreunde gehört die alljährliche „Christbaumschlacht“ auf bitter-süße Weise einfach zur Weihnachtsstimmung dazu. Vielleicht liegt im richtigen Umgang mit dieser Herausforderung am Ende genau das, was Weihnachten ausmachen sollte: Freude, Gelassenheit, Kreativität – und das Wissen, dass auch die ausgeklügeltsten Pläne jederzeit ins Chaos stürzen können, da das Leben sich letztlich immer unserer Kontrolle entzieht.
Und so blickt so manch gestresster Katzenhalter nach dem aufreibenden saisonalen Kampf seiner Mieze mit der Weihnachtstanne voller Hoffnung auf das kommende Jahr, in dem der Baum vielleicht doch auf wundersame Weise verschont bleiben könnte. Wobei es realistisch gesehen schon ein Erfolg wäre, wenn er nur ein bisschen weniger leiden müsste. Bis dahin stehen zur Sicherheit ausreichend Punsch und Glühwein bereit – zur Beruhigung der Nerven und als Trost. Für uns Menschen, versteht sich.