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Die Katzengöttin und ihr Erbe – Ein Streifzug durch die Geschichte der ägyptischen Katzenverehrung

Majestätische Bengalkatze vor den Pyramiden: Ein Sinnbild ägyptischer Katzengötterkultur – mystisch, edel, unvergessen.
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ie Geschichte der Rolle der Katze im alten Ägypten ist legendär. Im Laufe der Jahrtausende absolvierte sie eine der wohl bemerkenswertesten Metamorphosen, die ein Tier im kollektiven Gedächtnis einer Hochkultur durchlaufen kann: Von der stillen Mäusejägerin in den Kornkammern des Alten Reiches zum göttlichen Wesen mit eigenem Kult und Tempel – und schließlich zum Symbol einer tief verwurzelten orientalischen Tierliebe, die bis heute in den Gassen Kairos, Istanbuls oder Marrakeschs lebendig geblieben ist.

Die Anfänge – Mäuse und Menschen 

Verfolgt man die Geschichte der Selbstdomestizierung der Katze zu ihren Anfängen zurück, stößt man zunächst vor allem auf einen Prozess der pragmatischen Anpassung. Die ersten ägyptischen Siedlungen standen rund um 3000 v. Christus vor einem Problem, das jede aufstrebende Zivilisation kennt: Getreidespeicher sind nicht nur für die Ernährung einer Stadt- oder Dorfgemeinschaft unverzichtbar, sie locken auch Nagetiere an. Die Katze – damals  noch wild und streunend – fand somit in den Vorratshäusern der Menschen eine unerwartet reiche Nahrungsquelle vor. Daraus ergab sich eine typische Win-win-Situation: Die Katze fand Beute, der Mensch erhielt eine biologische Mäusefalle auf vier Pfoten. Auf diese Weise näherten sich beide kontinuierlich einander an. 

Zunächst nur geduldet, wurde die Katze zur unverzichtbaren Helferin des Menschen und von da war der Weg in die Herzen der Zweibeiner freilich nicht mehr weit. Aus Achtung wurde Liebe und die Katze zum beliebtesten Haustier im alten Orient.  Doch die Menschen verdankten der Katze weit mehr als den Schutz des kostbaren Getreides. Indirekt sorgte die Katze mit ihrem Dienst auch für die Weiterentwicklung der menschlichen Zivilisation. Aus dieser Sicht erscheint ihre Vergöttlichung im alten Ägypten fast wie eine logische Konsequenz. 

Göttin mit Schnurrhaaren 

Die Katze wäre nicht die Katze, hätte sie sich mit dem Part in einer Zweckbeziehung zufrieden gegeben: Und so geschah es, dass sie im Laufe der Jahrhunderte gar zum Mitglied im ägyptischen Pantheon aufstieg. Dort erlangte sie den Rang einer Göttin: Bastet, die zunächst als Sphinx, später als Frau mit Katzenkopf und schließlich einfach als edle, Ohr- und Halsschmuck tragende Katze – wie in der berühmten Skulptur des British Museum –  dargestellt wurde. Sie stand für Schutz, Fruchtbarkeit, Musik und – nicht zufällig – häusliche Freude. In der Spätzeit des Neuen Reichs (ca. 1000 v. Chr.) war Bastet nicht nur beliebte Gottheit, sondern auch Zentrum eines regelrechten Katzenkults. 

Ihre Tempel in Bubastis waren Orte religiöser und sozialer Zusammenkunft. Priesterinnen betreuten zahllose heilige Katzen, die gestreichelt, gefüttert und – nicht selten – mumifiziert wurden. Katzenmumien wurden zu dieser Zeit in so großer Zahl produziert, dass sie im 19. Jahrhundert während des britischen Kolonialismus tonnenweise nach Europa exportiert und als Dünger verwendet wurden. Dass die göttliche Katze auf diese Weise auch als Nährstofflieferant für britische Kartoffelfelder diente ist eine traurige Ironie. 

Die Liebe der alten Ägypter zur Katze ging so weit, dass das Töten einer Samtpfote – auch unbeabsichtigt – unter schwerer Strafe stand. Der griechische Historiker Herodot berichtet von Ägyptern, die sich in brennende Häuser stürzten, um ihre Katzen zu retten. In manchen Familien wurden verstorbene Katzen mit mehr ehrfurchtsvollem Zeremoniell beerdigt als so mancher Onkel dritten Grades. Aus Trauer rasierten sich die Hinterbliebenen sogar die Augenbrauen – ein Statement der Liebe, das zur Mode avancierte. 

Von den Ufern des Nils in die Welt 

Mit dem Ende des Pharaonenreichs verschwand der Bastet-Kult zwar aus den ägyptischen Tempeln, nicht aber aus den Herzen der Menschen. Die Römer übernahmen die Katze, wenngleich mit weniger religiösem Überschwang, als Begleiterin und brachten sie nach Europa. Ob sie von dort aus auch nach Asien gelangte, ist umstritten. Doch gerade in Japan blühte der Glaube an ihre spirituelle Kraft in anderen Farben auf  –  dort wurde sie zur „Maneki-neko“, der bis heute verbreiteten winkenden Glückskatze. 

Doch es ist der Orient, der bis heute ihrer altägyptischen Aura Rechnung trägt. Wer beispielsweise jemals durch die Straßen von Istanbul gewandert ist, begegnet ihnen überall: Katzen auf Moscheetreppen, in Cafés, in Läden – sie sind ein selbstverständlicher Teil der Stadt am Bosporus und mittlerweile auch Anziehungspunkt für Katzenliebhaber aus aller Welt. 

Die islamische Tradition führte die altägyptische Verehrung der Katze auf ihre Weise fort, indem sie, beziehungsweise ihr Prophet, sie in ihren Glauben integrierte. Mohammed selbst soll eine Lieblingskatze namens Muezza gehabt haben. Einst, so erzählt man, schnitt er lieber den Ärmel seines Gewandes ab, als das darauf schlafende Tier zu wecken. Seitdem gilt die Katze im Islam als rein und heilig. Vielleicht entstand diese Legende auch als Echo auf die Bastet-Verehrung. Die Katze schaffte es jedenfalls spielend, ja sogar schlafend als Bindeglied zwischen Antike und Frühislam zu fungieren und sich dabei ihren Status zu sichern. 

Katzenkult heute 

Heute hat sich die Katze auch in Europa, wo ihr Stellenwert eine weit ambivalentere Entwicklung durchlief – man denke an die Zeit der Hexenverfolgung – längst ihren Rang als angebetetes Wesen gesichert: Auf unseren Sofas, in Memes, auf T-Shirts und in der Popkultur. Ihr Kult hat sich verändert, doch die Ehrfurcht, mit der wir sie betrachten, bleibt. Wenn eine Katze einem Touristen in Kairo, Istanbul oder Marrakesch selbstbewusst auf den Schoß springt, dann ist das keine Zufallsbekanntschaft. Es ist eine jahrtausendealte Beziehung, die sich aufs Neue manifestiert und mit jedem leisen Schnurren besiegelt wird. 

Und wer weiß, wenn unsere Katze wieder einmal stundenlang auf dem Fensterbrett liegend ihren Blick versonnen in die Ferne richtet, vielleicht hört sie dann noch das ferne Rufen des Bastet-Tempels. Alle anderen ägyptischen Götter mögen gefallen sein, aber Bastet lebt – in jedem unverwandten Augenpaar, das uns anschaut, als wären wir ihre Untertanen. Und sind wir das nicht gerne? 

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