Die Sprache der Katzen: Einblicke in eine enigmatische Welt
s gibt kaum ein Lebewesen, das unsere Fantasie so nachhaltig beflügelt wie die Katze. Sie schleicht durch Mythen und Märchen, verführt und verwirrt uns mit einem Wesen, das zugleich anmutig und unnahbar, zärtlich und geheimnisvoll ist. Katzen bleiben auch für Menschen, die sie lieben, immer enigmatische Tiere. Ein besonders faszinierendes Rätsel ist dabei ihre Sprache. Wissenschaftler, Linguisten und Katzenliebhaber weltweit versuchen sich daran, das Miauen, Schnurren, Gurren und Fauchen zu entschlüsseln und stoßen dabei auf Herausforderungen, die ebenso faszinierend wie frustrierend sind.
Zwischen Poesie und Pragmatik
Katzen sprechen nicht, sie „verlautbaren“ – und das oft nur jenen gegenüber, die genau hinhören bzw. -sehen wollen. Während ein Hund mit einem Schwanzwedeln oder einem freudigen Bellen unmissverständlich kommuniziert, sind die tonalen wie auch körpersprachlichen Signale einer Katze vielschichtiger und ambivalenter. Was bedeutet dieses lange, melodische „Miau“, das beim Öffnen der Kühlschranktür ertönt? Ist es ein Befehl? Eine Bitte? Oder doch bloß eine charmante Manipulation?
Die schwedische Phonetikerin Susanne Schötz hat die Rätselhaftigkeit der Katzensprache zu ihrem Forschungsgegenstand gemacht. Gemeinsam mit ihrem Team an der Universität Lund zeichnete sie unzählige Katzenlaute auf und analysierte deren Akustik. Ihre Arbeit zeigt, dass Katzen nicht nur stimmliche Nuancen nutzen, sondern dass diese oft von der Beziehung zu ihrem menschlichen Gegenüber geprägt sind. Ein Beispiel: Schötz stellte fest, dass Katzen in einem Haushalt mit mehreren Menschen gezielt unterschiedliche Tonhöhen und Klangfarben verwenden, um auf individuelle Vorlieben oder Reaktionen einzugehen. Der Stubentiger scheint also durchaus ein Bewusstsein dafür zu haben, dass sein Publikum unterschiedlich „tickt“.
Eine Anekdote aus dem Labor
Eine besonders interessante Variante der Katzenkommunikation wurde von der japanischen Verhaltensforscherin Atsuko Saito dokumentiert. In einer ihrer Studien untersuchte Saito, ob Katzen ihren eigenen Namen erkennen – eine durchaus interessante Fragestellung, angesichts des Rufes von Katzen als eigenwilligen und schwer erziehbaren Wesen. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die meisten Katzen reagierten tatsächlich auf ihren Namen und das selbst wenn dieser inmitten einer Reihe von anderen Wörtern genannt wurde. Doch damit nicht genug: Manche Katzen antworteten auf eine Weise, die die Wissenschaftlerin staunen ließ. Anstatt das Angesprochen werden nur mit typischen Signalen wie einem Ohrenzucken oder einer Blickwendung zu erwidern, kamen einige Katzen direkt zum Experimentator, schnurrten oder legten sich demonstrativ auf den Rücken. Diese direkte Interaktion als Reaktion auf die Namensrufe überraschte die Forscherin.
Das Rätsel des Schnurrens
Seit jeher übt das Schnurren der Katze eine fast magische Anziehungskraft auf Forscher wie auf Laien aus. Ursprünglich als Zeichen der Zufriedenheit interpretiert, zeigt sich bei näherer Betrachtung ein komplexeres Bild: Katzen schnurren auch, wenn sie verletzt oder gestresst sind. Manche Wissenschaftler vermuten, dass die Vibrationen heilende Eigenschaften haben könnten – sowohl für die Katze selbst als auch für den Menschen. Eine bemerkenswerte Studie der Forscherin Elizabeth von Muggenthaler hat gezeigt, dass die Frequenz des Schnurrens zwischen 25 und 150 Hertz liegt – einem Bereich, der nachweislich Knochenwachstum fördern und Schmerzen lindern kann. Doch bleibt die Frage: Ist das Schnurren eine bewusste Botschaft oder ein Reflex, ähnlich dem Lachen beim Menschen?
Eine rührende Geschichte dazu lieferte ein Tierarzt aus Kanada, der berichtete, wie eine schwer verletzte Katze trotz ihres Zustands schnurrte, während sie behandelt wurde. Anfangs hielt der Arzt dies für ein Anzeichen von Entspannung, bemerkte jedoch später, dass das Schnurren synchron zu ihren Atemzügen erfolgte und eher beruhigend auf sie selbst zu wirken schien. War dies eine Form der Selbstheilung oder ein Signal an die Menschen, sie weiter zu versorgen?
Die Kunst des Miauens
Eine weitere spannende Entdeckung betrifft das „fordernde Miauen“, das Katzen oft einsetzen, wenn sie ihre Menschen um etwas bitten – sei es Futter, Aufmerksamkeit oder ein geöffneter Türspalt. Forscher der Universität Sussex, angeführt von Dr. Karen McComb, fanden heraus, dass dieses Miauen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Schreien eines menschlichen Babys hat. Katzen, so die Hypothese, haben sich im Laufe der Domestikation an unsere akustischen Schwachstellen angepasst. Das verzweifelt klingende „Miau“ ist kein Zufall, sondern ein fein abgestimmtes Instrument, um menschliches Mitgefühl zu wecken. Es scheint, als hätten Katzen die Evolution überlistet: Sie haben gelernt, uns mit einem Laut zu manipulieren, dem wir kaum widerstehen können.
Menschliche Projektion
Möglicherweise liegt ein nicht unerheblicher Teil des Katzensprache-Phänomens in unserem Bedürfnis, in die Laute und Bewegungen unserer Katzen bestimmte Bedeutungen zu interpretieren. Vielleicht erschaffen wir damit mitunter Sinngehalte, wo keine sind, und romantisieren das Wesen der Katze und ihre Beziehung zu uns. Der Psychologe John Bradshaw vertritt die These, dass Katzen sich zwar an die Sprache ihrer menschlichen Mitbewohner anpassen, indem sie ihre Lautäußerungen variieren, dies jedoch weniger auf eine echte Kommunikation hindeutet als vielmehr auf einen Anpassungsprozess. Katzen „sprechen“ nicht, sie „stimmen ein“ – und wir Menschen hören, was wir hören wollen. Doch lässt nicht gerade diese intuitive Form der Kommunikation von Katzen auf Empathie und psychologisches Einfühlungsvermögen schließen? Wir Menschen nutzen sie schließlich auch selbst und kein Linguist käme dabei auf die Idee, dies als robotorhaften Automatismus zu deuten – im Gegenteil, anpassungsmäßige kommunikative Fähigkeiten gelten als soziale Errungenschaft.
Katzen, die Dichter unter den Tieren?
Die Vieldeutigkeit der Katzenkommunikation hat für viele Katzenliebhaber eine ganz eigene, exquisit poetische Qualität. Katzen sprechen in Fragmenten, in Andeutungen, ja in Rätseln. Ihr Schnurren ist keine Melodie, sondern eine Art Flüstern. Ihre Blicke bedürfen keiner „Worte“, sie sprechen für den Katzenfreund ganz von selbst und scheinen sich oft auch nur ihm ganz persönlich zu erschließen – ähnlich einem hermetischen Gedicht, das sich nur Kennern solcher Texte eröffnet.
Gut möglich, dass wir im Versuch, die Katzensprache zu entschlüsseln, manchmal tatsächlich weniger die Katze als uns selbst erkennen – unsere Sehnsucht nach Verstandensein, nach der Verbindung mit einem Geschöpf, das uns stets einen Schritt voraus zu sein scheint. In gewisser Weise bleibt die Wesenhaftigkeit der Katze immer ein Geheimnis. Aber genau das ist einer der Gründe, warum wir sie so lieben. In einer Welt, in der alles erklärt und kategorisiert werden will, erinnern uns unsere schnurrenden Freunde daran, dass nicht alles verstanden werden muss, um von Bedeutung zu sein.