Review „KATZEN!“ im MARKK – ein ethnographisches Samtpfoten-Spektakel

it „KATZEN!“ widmet sich das MARKK Hamburg (Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt) in einer Sonderausstellung erneut der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Diesmal einer Spezies, die uns deutlich nähersteht als der Wolf, der 2019 Thema einer Schau war. Katzen sind allgegenwärtig und projektionsstark: in Memes, in der Popkultur, in jahrtausendealten Mythen und verschiedensten geographischen und kulturellen Kontexten quer durch die Menschheitsgeschichte. Die Ausstellung versucht dieses umfangreiche Spektrum einzufangen – und das gelingt ihr auf überraschend lebendige Weise. Die folgende Rezension basiert auf unserer Vorab-Sichtung.
Kuratorisches Konzept und thematische Struktur
Die Kuratorinnen (Lara Selin Ertener, Lotte Warnsholdt und Johanna Wild) haben sich mit der Katze einem globalen Trendthema zugewandt, dessen kulturelle Bedeutung bis in die Antike zurückreicht. Doch wie schafft man es, einen derart breiten historischen Rahmen auf begrenztem Raum unterzubringen? Gelöst wird dies, indem auf eine stringente Chronologie verzichtet wird, um stattdessen Facetten der Katze zu beleuchten: Attribute wie „Niedlichkeit“, „Nützlichkeit“, „Verehrung“ und weitere dienen als thematische Leitfäden. Dadurch entsteht ein bewusst kaleidoskopischer Blick, der es erlaubt, Exponate verschiedenster Epochen und geografischer Kontexte pointiert zu präsentieren. Das Ergebnis ist ein opulenter Wurf:
- Historische Spielzeug-Katzen treffen auf Hello Kitty-Figuren
- Altägyptische Katzenmumien und Bastet-Figurinen paaren sich mit zeitgenössischen Maneki-Neko aus traditioneller japanischer Manufaktur
- Ikonografische Plakatkunst des Fin de Siècle hängt neben Fotos von Popstars, die mit ihren Stubentigern posieren
- Historisches Filmmaterial von Katzen trifft auf zeitgenössische Katzenvideos
Die Auswahl der Exponate – aus eigenem Bestand, Leihgaben und Neuankäufen – ist vielfältig-bunt und bildet eine Analogie zum schillernden, verspielten Wesen der Katze.

Hello Kitty

Daioh Negora (Snow Pearl) Konatsu (*1996) Tokio, Japan, 2025

Schlafende Katze
Szenografie und Besucherführung
Diese spielerische Note setzt sich im originellen Raum-Design fort. Wer den Bereich der „Niedlichkeit“ betritt, wird von einem Meer aus rosa Plüsch empfangen – eine wahrlich kuschelige Auskleidung, die dem Thema Cuteness alle Ehre macht. Solch bewusst überzeichnete Ästhetik zitiert und übertreibt Klischees auf genießerische Weise und zielt neben Aufmerksamkeit auch auf Unterhaltung: Man darf und soll sich amüsieren. Erweitert wird dieser Ansatz durch zahlreiche Infotainment-Elemente, die den Besucher auf interaktive Weise einbeziehen und zum Verweilen einladen:
- Ein virtueller Fragebogen klärt endlich die ewige (für Katzenfans ehrlicherweise ironische) Frage, ob man Katzen- oder Hundemensch ist
- Auf Kopfhörern kann Rossinis berühmtem Katzenduett gelauscht werden
- Ein Katzen-Meme-Generator animiert zu kreativen viralen Neuschöpfungen
Im Herzen des Saales thront der Blickfang der Ausstellung: ein riesiges, rosa Katzen-Sofa, das bei Berührung schnurrt und auf dem man sich bei einer Diashow mit eingesandten Katzen-Fotos aus Hamburger Haushalten entspannen kann.
Die bewusst auffällige Szenografie der Ausstellung dient der unmittelbaren emotional-sinnlichen Ansprache der Besucher und verleiht der Schau eine spielerische Leichtigkeit, die sich von vielen klassischen Museums-didaktischen Formaten abhebt.

Installatinsobjekt

Katzen Meme-generator

Cats for Kamala (2024)

Katzenmeme
Wissensvermittlung im Überblick
Zwar führt die Vielzahl der Themenfelder zu einer eher punktuellen Vertiefung, dennoch stößt man immer wieder auf fundierte und überraschende Informationen. Wer wusste schon, dass Hello Kitty ursprünglich als japanisches Pendant zur amerikanischen Mickey Mouse entworfen wurde, oder dass im vom Aberglauben geprägten europäischen Mittelalter eigens Näpfe für Samtpfoten angefertigt wurden, was auf eine innigere Mensch-Katze-Beziehung schließen lässt, als man für diese Epoche vermuten würde? Die Liebe zu Katzen ist eben keine Erfindung des Internets! Auch altägyptische Katzen-Totenmasken, die Beigaben zu Katzenmumien waren, gehören zu jenen kuriosen Details, die die Ausstellung sehenswert machen.
Es sind kleine Wissensfunken, die zwischen all dem Plüsch und Pop hängen bleiben und immer wieder für Aha-Momente sorgen.
Gesellschaftliche und politische Dimensionen der Katzensymbolik
Die Ausstellung widmet sich auch der komplexen gesellschaftspolitischen Symbolik der (Raub-)Katze für männliche Macht (wie am Beispiel des Leopardenfells als Herrschaftssymbolik bei Mobutu) und als ambivalentes Zeichen weiblicher Selbstbestimmung (wie in der Suffragetten-Bewegung).
Im Rahmen zeitgenössischer Politik wird die Analyse des Katzensymbols jedoch zu einem heiklen Terrain. Die Intention der Kuratorinnen anhand des US-Wahlkampfes 2024, rückwärtsgewandte frauenfeindliche Agitation aufzuzeigen, ist absolut verdienstvoll. Dennoch wäre ein neutralerer Zugang wünschenswert gewesen. Die politische Deutung der Katzensymbolik in einem Museumskontext gewinnt an Tiefgang, wenn sie widersprüchliche Strategien auf beiden Seiten des politischen Spektrums kritisch beleuchtet (zum Beispiel, wenn der Titel der „kinderlosen Katzenfrau“ angenommen wird, obwohl man keine Katze hat – wie im Fall von Kamala Harris).
Insgesamt hätte eine Einbeziehung der Perspektive katzenliebender Männer – deren Tradition kulturgeschichtlich ebenso reich ist – die Symbolik der Katze als Projektionsfläche für Weiblichkeit erweitern und differenzieren können.
Epilog: Die Straßenkatzen von Istanbul – Realität und Romantik
Einen Blick auf die reale Mensch-Katze-Beziehung der Gegenwart bietet die Schau am Ende. Er führt uns nach Istanbul, wo Straßenkatzen integraler Bestandteil des Stadtbildes sind. Hier lebt die im Islam tief verwurzelte Katzenliebe. Die Tiere werden von zahlreichen Einheimischen liebevoll gefüttert und versorgt, und sind für so manche Touristen bereits ein beliebteres Fotomotiv als die berühmte Hagia Sophia.
Doch die idyllische Fassade täuscht: die Tiere und ihre Betreuer kämpfen mit finanziellen und sozialen Problemen, Anfeindungen von Stadtbewohnern und einer fehlenden Sensibilität für die Notwendigkeit konsequenter Kastration. Die Istanbuler Katzen sind damit ein lebendiges, bittersüßes Beispiel dafür, wie sehr romantische Projektionen auf die Katze mit der Härte der Realität kollidieren.
Ausstellungserlebnis und ergänzende Angebote
Bereits am Haupteingang wird der Besucher von einem thronenden, schwarz-leuchtenden Katzenkopf mit grünen Augen begrüßt – ein vielversprechender Auftakt. Die Fülle der liebevollen Ideen zur Inszenierung der Katze ist ausgesprochen gelungen und macht den Museumsbesuch zu einem besonderen, unterhaltsamen Erlebnis.
Auch ein Besuch des Museumsshops ist empfehlenswert: Dieser führt eine geschmackvolle Auswahl an hochwertigen Katzen-Fanartikeln – Produkte, die man tatsächlich gerne verschenken möchte. Wer dann von Katzen immer noch nicht genug bekommen hat, wird im MARKK auch abseits der Schau fündig: Aufmerksame Augen erspähen in den Dauerausstellungen etliches an Cat-Content in Gestalt von Figuren, Bildern, Masken, Schmuck (…) aztekischer, afrikanischer, altägyptischer und chinesischer Herkunft.
Fazit
„KATZEN!“ ist eine facetten- und ideenreich inszenierte Ausstellung, die Kulturgeschichte auf originelle Weise mit spielerischen Elementen verbindet. Sie lädt in Interaktion mit den Besucherinnen und Besuchern diese dazu ein, die Katze in ihren zahlreichen kulturellen Erscheinungsformen neu zu entdecken – vom altägyptischen Kultobjekt bis zum Symbol politischen Statements.
Bis zum 29. November 2026 bietet sich hier ein empfehlenswerter Termin für alle, die sich für Katzen und die Ethnografie ihrer teils kuriosen kulturellen Rollen interessieren.

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