„Syrianer“ im Salon: Katzen als „Luxusobjekte“ in Mittelalter und Renaissance

enn man sich Miniaturen, Altäre oder Tafelgemälde des Spätmittelalters ansieht, begegnet man zwar häufig Hunden, Falken und Papageien – Katzen als Objekte künstlerischer Darstellung findet man hingegen selten. Verirren sie sich doch einmal in ein Bild, ist die Art ihrer Gestaltung fast immer unscheinbar, meist grau-getigert, oft am Bildrand oder in einer Nebenszene des Gemäldes. Das überrascht nicht, denn in der damaligen volkstümlichen Wahrnehmung war die Katze ambivalent. Während schwarze Katzen vielerorts als dämonisch gebrandmarkt und mit dem Bösen assoziiert wurden, waren die grau-getigerten Mäusefänger zwar als nützliche Schädlingsbekämpfer geschätzt, sonst aber blieb das Verhältnis der Menschen zu ihnen unspektakulär und ohne emotionalen Bezug.
Und dennoch: Schon im Mittelalter und erst recht in der Renaissance gab es ein feines Segment der Gesellschaft, das Katzen nicht nur als Mäusejäger, sondern als Distinktionsobjekte begriff.
Kulturgeschichtlicher Hintergrund
Im Mittelalter fristete die Katze oft ein Schattendasein. Sie war wahlweise Teufels- und Hexengefährtin in schwarzem Fell oder selbst fleischgewordener Dämon. Die Kirche sah in ihr häufig ein Symbol des Heidnischen und Unreinen. Und doch wurde sie auch geachtet: In den dunklen Gemäuern der Klöster und auf den kargen Feldern der Bauern lebte die Katze ein Leben, das von pragmatischer Notwendigkeit geprägt war. Sie war Meister-Mäusejägerin, einziger Schutz vor gefräßigen Nagern, welche die Getreidespeicher und Vorratskammern plünderten. Ihre Effizienz war so unbestreitbar, dass die Menschen trotz aller Teufelsfantasien nicht auf sie verzichten konnten.
Doch die Welt der Katze war nicht nur von Mäusejagd und Hexenverfolgung geprägt. Ein Blick in die Annalen der Adelshöfe und in die Schriften gebildeter Gelehrter offenbart eine ganz andere Seite der Geschichte. Hier, wo der Überfluss herrschte und man sich den Luxus von Zuneigung leisten konnte, wurde die Katze zum geliebten Haustier, zum seelenwärmenden Gefährten auf dem Schoß einer Fürstin oder zum geschätzten Begleiter eines Klosterbruders.
Ein besonders schönes historisch überliefertes Beispiel hierfür findet sich bereits im 9. Jahrhundert: Ein anonymer irischer Mönch vergleicht in einem Gedicht die Mäusejagden seines geliebten Katers Pangur Bán mit seiner eigenen Jagd nach Erkenntnis. Diese zärtliche Parallele ist einer der frühesten literarischen Belege für die tiefe, fast spirituelle Verbundenheit zwischen Mensch und Katze. Später, in der Renaissance, beschreibt der französische Schriftsteller Guillaume du Bartas (*1544) eine Katze so detailreich, dass sie beim Lesen fast lebendig wird. Und der französische Philosoph und Katzenliebhaber Michel de Montaigne (*1533) fragte sich, wer von beiden – Katze oder Mensch – eigentlich wen zum Zeitvertreib benutze. Eine Frage, die jeder Katzenhalter bis heute mit einem wissenden Schmunzeln beantworten kann.
Halsband und Glöckchen
Mit der Renaissance kam eine neue Sicht auf die Welt – und damit auch auf die Katze. Künstler wie Leonardo da Vinci studierten ihre Anatomie und Bewegungen. In Gemälden tauchte die Katze zunehmend als selbstverständlicher Teil des häuslichen Lebens (Siehe Maunzig-Artikel: „Von Mäusejägern zu Musen“) auf, als Begleiterin von Damen und Kindern. Einst Mäusejägerin und Hexen-Gefährtin, war sie nun endgültig im Schoß der „besseren“ Gesellschaft angekommen.
Die britische Historikerin Kathleen Walker-Meikle dokumentiert in ihrer Studie zur Rolle von Haustieren im Mittelalter und der Renaissance, „Medieval Pets“ (2012) eine erstaunlich lebhafte Tierkultur an Fürstenhöfen und in Patrizierhäusern. Katzen und andere Tiere wurden sogar geschmückt und mit Accessoires versehen: Sie trugen Halsbänder, die mit Glöckchen und kleinen Schmuckstücken versehen wurden. Eine berühmte Tierliebhaberin dieser Zeit war Isabeau von Bayern, Königin von Frankreich (*1370). Sie ließ für ihr zahmes Eichhörnchen ein Perlenhalsband mit goldener Schnalle anfertigen und bestellte 1406 ein leuchtend grünes Stofftuch, um ihre Katze damit aufzuputzen. Ähnliche Fälle werden auch durch historische Handschriften der Renaissance belegt, in denen immer wieder Katzen mit kleinen Accessoires auftauchen.
Exotik auf vier Pfoten
Walker-Meikle beleuchtet in ihrer Studie auch das Phänomen, dass Katzen mit besonderer Fellzeichnung in Adelskreisen sehr begehrt waren und aus diesem Grund vereinzelt aus dem Orient importiert wurden – vor allem aus Syrien und Damaskus, dem Knotenpunkt des Luxuswarenhandels.
Die Mantuaner Markgräfin Isabella d’Este (1474–1539) ist eine der ersten namentlich bekannten Katzenfreundinnen, die sich systematisch um so genannte „Syrianer“ und „Tibet Katzen“ bemühten. Julia Cartwright, eine britische Historikerin und Kunstkritikerin der Jahrhundertwende berichtet in ihrer Biografie „Isabella d’Este, Marchioness of Mantua“ (1903), wie die gesellschaftlich einflussreiche Adelige über Venedig exotische Katzen aus dem Nahen Osten importieren ließ, um die „schönsten Exemplare“ auszuwählen. Ihre Tierliebe war legendär: Für Hunde und Katzen ließ sie Gedichte und Epitaphe verfassen, der Tod ihres Lieblingskaters „Martino“ wurde auf diese Weise elegisch betrauert.
Mit modernen „Rassen“ im züchterischen Sinn hatten diese „Syrianer“ freilich wenig zu tun. Sie waren eher – aus damaligem Blickwinkel – farblich oder körperlich auffällige Hauskatzen aus anderen Regionen. In den Augen der Adeligen der zeitgenössischen italienischen Höfe erschienen sie jedoch so exotisch wie persische Teppiche oder indische Gewürze.
Die Legende von Tolmeo Spanuolo
Vor diesem Hintergrund klingt die Geschichte von Isabellas Kammerdiener Tolmeo Spanuolo zwar wie eine Episode eines höfischen Romans, ist aber immerhin plausibel. Die Überlieferung lautet wie folgt: Auf einer Reise nach Venedig habe der Höfling eine besonders schöne braune Tigerkatze mit seltener Fellzeichnung in einem Fenster erspäht – ein Tier mit Halsband und Glöckchen, was damals ungewöhnlich war und den Wert der Katze für deren Besitzer hervorhob. Die Katze gehörte einer sehr betagten Dame, der Spanuolo eine erkleckliche Summe Geldes für die edle Samtpfote anbot. Als sie dankend ablehnte, versuchte er es bei dem Sohn der Frau, mit dem er sogar längere Zeit in Briefkontakt gestanden haben soll, in der Hoffnung, auf diese Weise an das kostbare Tier heranzukommen. Um seinen Forderungen besonderen Nachdruck zu verleihen, soll er in der Korrespondenz auch den berühmten Namen seiner Herrin fallen gelassen haben. Doch all die Bemühungen waren vergeblich, denn auch der Sohn verweigerte den Verkauf des Tieres beharrlich. Später soll Isabella d’Este schließlich eine ähnliche Katze direkt aus Damaskus erhalten haben.
Diese Anekdote ist zwar nicht direkt durch zeitgenössische Quellen belegt, passt aber gut in die Welt der exzentrischen Gräfin: ein höfischer Bote, venezianische Händler, eine begehrte „exotische“ Katze. So könnte diese Geschichte entstanden sein, welche die Sammelleidenschaft der Markgräfin pointierend, in mündlicher Überlieferung lebendig blieb.
Vom Nutz- zum Seelentier mit Status
Die Rolle der Katze im Mittelalter und in der Renaissance verschob sich zunehmend von der Zweckgemeinschaft hin zur Seelenverwandtschaft. Ein Wesen, das von Aberglauben gejagt und aufgrund von Pragmatik geduldet wurde, erlangte schließlich nicht nur Zuneigung, sondern – besonders in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen – gar den Rang eines Statussymbols.
Ob als unverzichtbarer Schädlingsbekämpfer auf dem Bauernhof oder als schnurrender Gefährte von „exotischer Rasse“ im Schoß des Adels – die Katze war und ist eine Meisterin darin, sich in die Herzen der Menschen zu schmeicheln, selbst wenn diese noch so sehr mit Dämonenfurcht und frommer Strenge durchzogen sind.
An der Figur Isabellas d’Este wird sichtbar, wie sehr sich im 15. und 16. Jahrhundert nicht nur das Bild der Katze, sondern auch das Selbstverständnis der Oberschicht wandelte: Wer sich eine „Syrianer“-Katze leistete, zeigte nicht nur Wohlstand, sondern auch Weltläufigkeit, Bildung und Empfindsamkeit. Damit begann jene Tradition, die unsere Vorstellung von der Katze als kultiviertes, elegantes und zugleich eigenwilliges Haustier bis heute prägt.
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