Wenn der Stubentiger mehr weiß als du – Katzen, Telepathie und das Unsichtbare

er mit einer Katze zusammenlebt, kennt solche Situationen zu genüge: Der Vierbeiner sitzt wie gebannt auf dem Fensterbrett und starrt minutenlang ins Leere, als würde er etwas sehen, das sich unserer Wahrnehmung entzieht. Oder er verschwindet blitzartig unter dem Sofa, Minuten bevor es unvermutet an der Tür klingelt - dabei war längst noch niemand in Sicht- oder Hörweite. Solche Erlebnisse beschäftigen nicht nur Katzenbesitzer, sie sind auch Gegenstand (para-)wissenschaftlicher Untersuchungen: Haben Katzen Fähigkeiten, die über unsere fünf Sinne hinausgehen?
Von Telepathie über Geisterwahrnehmung bis hin zur erstaunlichen Antizipation menschlicher Rückkehr gibt es zahlreiche verblüffende Fälle, in denen Katzen Menschen ihre übersinnliche Überlegenheit zu demonstrierten scheinen.
Die feinen Sinne und was darüber hinausgeht
Zunächst das Offensichtliche: Katzen verfügen über äußerst scharfe Sinne. Ihr Gehör reicht bis in den Ultraschallbereich, ihr Geruchssinn ist etwa vierzehnmal so empfindlich wie der des Menschen und ihre Schnurrhaare sind so feinnervig, dass zusätzlich zu ihrer Funktion der Raumorientierung auch eine Art seismographische Eigenschaft vermutet wird – eine Art biologischer Erdbebendetektor. Doch lässt sich auch damit nur unzureichend erklären, warum eine Katze um exakt 17:42 auf die Haustür starrt, obwohl ihr Mensch erst um 18 Uhr zurückkommt und noch zwei Straßen weit entfernt ist.
Von solchen Vorkommnissen berichten unzählige Katzenhalter: Bekannt wurde die Geschichte von Felicity, einer britischen Hauskatze, die jedes Mal fünf Minuten vor der Ankunft ihres Besitzers auf dem Fensterbrett erschien – obwohl dieser unregelmäßige Schichten hatte und niemand zu Hause war, der ihn hätte ankündigen können.
Katzen und das Unsichtbare – Auf leisen Pfoten zwischen Welten
Doch dieser bemerkenswerte Spürsinn der Katze, Abwesende aus der Ferne wahrzunehmen, geht vermutlich sogar über die Dimension des Diesseitigen hinaus. Viele Menschen berichten, dass ihre Katze mit etwas Unsichtbaren kommuniziert – sie miaut ins Leere, faucht eine scheinbar unbelebte Ecke an oder verfolgt mit ihren Augen für uns unsichtbare Bewegungen. Skeptiker führen dies gerne auf das feine Gehör der Katze oder ihr Reagieren auf Lichtreflexe zurück. Fast jeder Katzenbesitzer kennt jedoch zahlreiche Vorkommnisse dieser Art, die sich jeglicher rationalen Erklärung entziehen.
Einige spirituelle Traditionen glauben, dass Katzen in der Lage sind, energetische Felder zu spüren, oder sogar die Präsenz von Verstorbenen zu erkennen. Im alten Ägypten galten Katzen nicht umsonst als heilige Tiere, die als Mittler zwischen den Welten fungierten. Auch im japanischen Shintoismus und im keltischen Volksglauben werden sie mit spirituellen Kräften in Verbindung gebracht und mit der Fähigkeit, das Heim vor bösen Geistern zu schützen.
Der sechste Sinn und der Abschied
Besonders berührend ist die Beobachtung, dass Katzen offenbar den Tod vorausahnen können. Es gibt zahlreiche dokumentierte Fälle, insbesondere aus Hospizen und Pflegeeinrichtungen, in denen Katzen sich zu Sterbenden legen, manchmal Stunden oder sogar Tage vor deren Tod – als wollten sie ihnen Trost spenden, oder ihnen den Übergang erleichtern. Der wohl berühmteste Sterbebegleiter war der Kater Oscar, der in einem Pflegeheim in Rhode Island lebte und über 100 solcher Vorhersagen getroffen haben soll. Seine Todesvorahnung war so präzise, dass das Pflegepersonal sogar dazu überging, Angehörige zu verständigen, sobald Oscar auf das Bett eines Hospiz-Patienten sprang.
Wissenschaftler vermuten, dass Katzen möglicherweise feine chemische Veränderungen in der Atemluft oder Körperausdünstung wahrnehmen, die den nahenden Tod ankündigen. Doch auch hier bleibt ein Rest an Geheimnis. Oscar legte sich nicht wahllos auf Betten. Er suchte gezielt Menschen auf – und lag fast immer richtig.
Jeder Katzenfreund wird zustimmen, dass es hierbei um weit mehr geht, als um rein sensorische Fähigkeiten: Diese zartfühlenden Tiere leisten einen letzten Dienst, eine stille Begleitung ins Unbekannte. Mit ihrem Draht in feinstoffliche Welten sind Katzen die perfekten Seelenführer auf dem letzen Weg. Dabei beschränken sie sich keineswegs auf Menschen. Es gibt zahlreiche Berichte, in denen Katzen auch Artgenossen und andere Tieren in gleicher Weise beistanden.
Rupert Sheldrake – Der Wissenschaftler im Grenzbereich
Wissenschaftliche Studien zu diesen Phänomenen sind rar – und nicht zuletzt schwer zu standardisieren. Anekdotische Evidenz ist zwar reichlich vorhanden, doch reproduzierbare Experimente sind schwierig. Das liegt nicht nur an der Natur der Phänomene, sondern auch an der Natur der Katzen: Sie lassen sich nun mal ungern zu geplanten Zeitpunkten zu übernatürlichem Verhalten überreden. Hinzu kommt, dass die meisten Wissenschaftler der Thematik per se mit großer Skepsis begegnen, denn sie enthält in ihren Augen zu viele unkontrollierbare Variable. Dennoch gibt es ernsthafte Versuche, das Phänomen „Katzen und Übersinnlichkeit“ zu untersuchen:
Der britische Biologe Rupert Sheldrake führte eine Reihe von Experimenten mit Tieren durch, um herauszufinden, ob sie telepathische Fähigkeiten besitzen. In seinem Buch The Sense of Being Stared At und in seiner Studie Dogs That Know When Their Owners Are Coming Home, die auch Katzen einschloss, berichtet Sheldrake von signifikanten Abweichungen vom Zufall: Tiere, darunter ganz besonders auch Katzen, verhielten sich in über 50 % der Fälle auffällig, bevor ihre Besitzer heimkehrten – auch wenn diese zu ungewöhnlichen Zeiten kamen und keine typischen Anzeichen wie Motorengeräusche oder erwartbare Elemente täglicher Routine erkennbar waren.
Die wissenschaftliche Gemeinde reagierte wenig überraschend mit gemischten Gefühlen auf Sheldrakes Untersuchungen. Während Kritiker auf methodische Schwächen hinwiesen, fanden viele Beobachtungen schlicht keine zufriedenstellende Erklärung. Telepathie bleibt dennoch als Hypothese im Raum – ungelöst, aber nicht widerlegt.
Die Katze als kosmisches WLAN?
Vielleicht haben Katzen Zugang zu einem „unsichtbaren Netzwerk“, das uns verborgen bleibt. Ein „kosmisches WLAN“, in das sie sich mit einem eleganten Schwanzzucken einloggen. Vielleicht sind sie unsere spirituellen Router – nur dass sie mehr schlafen und trotzdem zuverlässiger die Verbindung halten.
Ob Telepathie, feinstoffliche Wahrnehmung oder einfach nur extrem ausgeprägte Sinnesorgane – Katzen bleiben ein Rätsel. Vielleicht liegt das Geheimnis in der Mischung aus Sinn und Sinnlichkeit, aus Intuition und Instinkt. Die Katze ist und bleibt ein faszinierendes Wesen.
Und fast jeder Katzenhalter wird ohnehin nicht von seiner Einsicht abrücken, dass Katzen selbstverständlich eine ganze Menge mehr wahrnehmen als wir – auch wenn sie meistens zu höflich sind, es uns unter die Nase zu reiben.